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Warum Albatrosse über den Südlichen Ozean segeln können

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Albatrosse segeln beinahe mühelos über das Südpolarmeer. Obwohl seit langer Zeit bekannt, haben erst jetzt Forscher ein neues Modell für den dynamischen Segelflug entwickelt und dazu benutzt, um das ideale Flugmuster zu entdecken, welches ein Albatros nutzt, um das Maximum aus Wind und Energie zu erhalten. Sie fanden heraus, dass, wenn ein Albatros in oder aus dem Wind dreht, sollte er einen flachen Bogen fliegen, auf einer beinahe gerade nach vorne gerichteten Flugbahn.

Ein Albatros war schon immer ein spektakulärer Anblick, auch in den alten Zeiten. Beinahe mühelos kann das Tier stundenlang ohne einen Flügelschlag sich in der Luft halten. Früher dachte man, dass Albatrosse die Seelen ertrunkener Seeleute in den Himmel tragen. Bild: Michael Wenger
Ein Albatros war schon immer ein spektakulärer Anblick, auch in den alten Zeiten. Beinahe mühelos kann das Tier stundenlang ohne einen Flügelschlag sich in der Luft halten. Früher dachte man, dass Albatrosse die Seelen ertrunkener Seeleute in den Himmel tragen. Bild: Michael Wenger

Seit Jahrhunderten wurde beobachtet, dass sich Albatrosse für Stunden in der Luft halten können, knapp über der Meeresoberfläche segeln und zwischen verschiedenen Luftmassen fliegen wie auf einer waagrechten Achterbahn. Dieses Muster nennt man seit jeher Dynamisches Segeln. Nun haben Ingenieure des MIT (Massachusetts Institute for Technology) ein neues Modell entwickelt, um dynamisches Segeln beschreiben zu können. Damit konnten sie die optimale Flugbahn errechnen, die ein Albatros nehmen sollte, um das Beste aus den Winden und der Energie zu gewinnen. Sie fanden heraus, dass die Vögel eher in flachen Bögen und damit eine beinahe gerade Flugbahn wählen sollten. Mit dem neuen Modell könnte man herausfinden, ob und wie sich die Flugmuster von Albatrossen im Zuge der klimatisch bedingten Windveränderungen anpassen werden. Ausserdem können neue wind-angetriebene Drohnen und Gleiter entwickelt werden, die, wenn auf energie-effizientes Fliegen programmiert, durch die Windbedingungen lange Aufklärungsflüge und Messungen durchführen würden. „Der Wanderalbatros lebt im Südpolarmeer, das nicht sehr gut erforscht ist. Es ist schwierig, dorthin zu gelangen und es hat starke Winde und hohe Wellen“, erklärt Hauptautor Gabriel Bousquet, Doktorand am MIT. „Doch die Region ist unglaublich wichtig, um die Dynamik des Klimawandels zu verstehen. Mit windangetriebenen Robotern, könnte man Untersuchungen in Echtzeit durchführen und viel mehr Daten sammeln als bisher.“ Bousquet ist der Hauptautor der Studie, die in der Fachzeitschrift Interface erschienen ist.

Schon vor über 100 Jahren wurde das Konzept des dynamischen Segelns von Nobelpreisträger Lord John Strutt, 3. Baron Rayleigh, entwickelt. Doch das vor kurzem veröffentlichte Modell verfeinert das ursprüngliche Modell und entwickelt es weiter. Bild: Toni Bürgin, David Senn
Schon vor über 100 Jahren wurde das Konzept des dynamischen Segelns von Nobelpreisträger Lord John Strutt, 3. Baron Rayleigh, entwickelt. Doch das vor kurzem veröffentlichte Modell verfeinert das ursprüngliche Modell und entwickelt es weiter. Bild: Toni Bürgin, David Senn

Der bekannte Physiker Lord Rayleigh hatte als erster das Konzept des dynamischen Segelns mathematisch beschrieben. Gemäss ihm sollten Albatrosse in einer Reihe von 180-Grad-Drehungen fliegen und so abwechselnd durch Schichten von schnellen Winden in andere Schichten mit langsameren Luftmassen gleiten. Das war das generelle Verständnis, auch heute noch. Doch Bousquet und seine Kollegen widersprechen in etwas diesem Konzept. Zuerst modellierten sie ein Windfeld mit einer relativ einfachen Gleichung, die die Windgeschwindigkeit im Verlauf der Höhe darstellt. Vor allem die Dicke der Schärschicht, die zwischen einer schnellen und einer langsamen Schicht liegt, war ihnen wichtig. Danach benutzten sie ein 3D-Modell zur Simulation des Albatrosfluges. Dieses Modell besteht aus komplizierten Bewegungsgleichungen. Diese lösten die Forscher mithilfe von numerischer Optimierung. Sie variierten die Schärschichtdicke und suchten die kleinstmögliche Windgeschwindigkeit, um sich in der Luft halten zu können. So fanden sie heraus, dass je dünner die Schärschicht, desto weniger Wind würde ein Vogel benötigen, um sich in der Luft halten zu können. In anderen Worten: je näher die Schichten liegen, desto weniger Energie muss ein Albatros für den Flug anwenden.

Wie ihre grossen Verwandten, nutzen auch Schwarzbrauenalbatrosse verschiedene Windgeschwindgkeiten über dem Wasser für das dynamische Segeln und lange Flugstrecken. Gemäss Bousquet drehen sie jedoch in flachen Kurven statt in halben Drehungen. Bild: Michael Wenger
Wie ihre grossen Verwandten, nutzen auch Schwarzbrauenalbatrosse verschiedene Windgeschwindgkeiten über dem Wasser für das dynamische Segeln und lange Flugstrecken. Gemäss Bousquet drehen sie jedoch in flachen Kurven statt in halben Drehungen. Bild: Michael Wenger

Der Mitautor der Studie, Professor John Slotine, meint: „ Wenn wir Roboter entwickeln, die den Wind nutzen, wissen wir jetzt, dass für das Vorwärtsfliegen flachen Kurven für Reisegeschwindigkeit und Energieeffizienz notwendig sind. Und genau das scheinen Albatrosse zu tun.“

Quelle: Jennifer Chu, Massachusetts Institute for Technology